Krankheit
Erkrankungen des Arbeitnehmers können erhebliche rechtliche und tatsächliche Probleme und Konflikte zwischen den Arbeitsvertragsparteien herbeiführen und sind oft Quelle von arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen bis hin zu Kündigungsstreitigkeiten. (Zum Thema Krankengeld bitte hier klicken)
Die Entgeltfortzahlung – Welche Voraussetzungen müssen vorliegen?
Die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers im Krankheitsfall werden dabei durch das Entgeltfortzahlungsgesetz – (EFZG) geregelt, nähere Bestimmungen finden sich aber auch im geschlossenen Arbeitvertrag, in Betriebsvereinbarungen und in den ggf. anwendbaren Tarifverträgen wieder. Dabei ist stets zu beachten:
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist zwingend und kann nicht wirksam ausgeschlossen werden.
Entgegenstehende Vereinbarungen entfalten keine Rechtswirkung.
Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist in § 3 Abs.1 Satz 1 EFZG geregelt.
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz erhalten Entgeltfortzahlung allein Arbeitnehmer, also Arbeiter und Angestellte, ebenso auch die sog. „in der Heimarbeit Beschäftigten“.
Zweite Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis mindestens 4 Wochen bestanden hat, bevor die Krankheit eingetreten ist. Wird der Arbeitnehmer früher krank, erhält er bis zum Ablauf der vier Wochen Krankengeld von der Krankenkasse (dies theoretisch ab dem ersten Tage der Beschäftigung).
Nach Ablauf der vier Wochen hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen."
Krankheit bedeutet, dass ein sog. regelwidriger Körper- oder Geisteszustand eingetreten ist, der eine Heilbehandlung erforderlich macht. Es ist im Einzelfall umstritten, was alles unter den Krankheitsbegriff fällt. Anerkannt sind heute neben den klassischen Erkrankungen auch Suchterkrankungen (Alkoholabhängigkeit, Nikotinsucht, Drogensucht), wenn diese ein entsprechendes Ausmaß erreicht haben. Der Arbeitnehmer ist ferner aufgrund der Krankheit arbeitsunfähig, wenn er allein aufgrund der Krankheit nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich vereinbarte Arbeit zu leisten. Hier kommt es also auf die individuellen Arbeitsverhältnisse und die konkrete Erkrankung an.
Zuletzt darf der Arbeitnehmer sich nicht schuldhaft verhalten haben, dass er die Krankheit selbst verschuldet hätte. Die ist dann der Fall, wenn ein Verhalten zur Krankheit geführt hat, dass grob von dem abweicht, was von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwarten ist, sodass es schlicht unbillig wäre, die Folgen auf den Arbeitgeber abzuwälzen. (So etwa bei Verletzungen im Rahmen von selbst begangenen Straftaten, (vorsätzliche Schlägerei, Autounfall im betrunkenen Zustand, mutwilliger oder grob fahrlässiger Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften).
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist auf 6 Wochen begrenzt. Nach Ablauf dieser 6 Wochen erhält der Arbeitnehmer Krankengeld durch die Krankenkasse. Gesundet der Arbeitnehmer (ggf. für einen einzigen Tag) und wird dann gleich wieder krank, beginnen grundsätzlich auch die 6 Wochen auch wieder erneut zu laufen.
Um den Arbeitgeber in solchen Situationen aber vor allem bei chronischen Leiden nicht über alle Gebühr zu belasten, besteht bei mehrfacher Arbeitsunfähigkeit wegen des selben Leidens (dh. verursacht durch die gleiche Krankheit) die Regelung des § 3 Abs.1 Satz 2 Nr.1 EFZG. Diese Vorschrift bestimmt, dass in solchen Fällen zwischen den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mindestens 6 Monate liegen müssen, in denen der Arbeitnehmer nicht wegen der Krankheit arbeitsunfähig war. Nur dann besteht erneut Anspruch auf die 6 Wochen Entgeltfortzahlung. Die Folgen für den Arbeitnehmer mit einem entsprechendem Grundleiden hat der Gesetzgeber dadurch gemildert, dass spätestens nach Ablauf von 12 Monaten des ersten Beginns der Arbeitsunfähigkeit wegen der gleichen Erkrankung wieder ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht.
Die Höhe der Entgeltfortzahlung richtet sich nach der vereinbarten Vergütung, die erzielt worden wäre, wenn keine Krankheit vorgelegen hätte.
Nicht gezahlt werden müssen nach dem Gesetz Überstunden, Fahrtkosten und andere Aufwandsentschädigungen.
Rechtsanwälte Krankheit
Die Kündigung während und wegen Krankheit
Eine Krankheit schützt entgegen verbreiteter Meinung nicht vor einer Kündigung. Die Krankheit kann vielmehr sogar der (alleinige) rechtmäßige Grund für eine Kündigung sein. Es muss hier auch keine Abmahnung ausgesprochen werden.
So hat das LAG Rheinland-Pfalz entschieden, dass jedenfalls in einem Kleinbetrieb (bis 10 Mitarbeiter) gilt:
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht sittenwidrig (§ 242 BGB), wenn der Mitarbeiter längere Zeit ausfällt – auch nicht, wenn dies zu erwarten ist und der Arbeitgeber deshalb vorsorglich kündigt. Noch weniger Zweifel liegen vor, wenn, für den kranken Gekündigten bereits eine Ersatzkraft eingestellt wurde. (LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 2 Sa 373/07).
Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigt darüber hinaus auch außerhalb des Kleinbetriebes grundsätzlich eine ordentliche personenbedingte Kündigung.
Außerhalb des Kleinbetriebes müssen dann aber die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetztes vorliegen, um die Kündigung wegen Krankheit zu rechtfertigen:
Nach den von der Rechtssprechung (Bundesarbeitsgericht) entwickelten Grundsätzen muss, damit die Kündigung wirksam ist:
- eine negative Prognose betreffend den Gesundheitszustand bestehen.
- betriebliche Interessen müssen erheblich beeinträchtigt sein. Dies kann wegen wirtschaftlicher Belastung des Unternehmens durch den Ausfall des Arbeitnehmers aber auch wegen Störungen im Betriebsablauf der Fall sein.
- nach einer Interessenabwägung aller Umstände diese Beeinträchtigungen zu einer nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen, sodass diesem eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
Ferner ist durch das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), welches nunmehr gesetzlich in § 84 Absatz 2 Satz 1 SGB IX normiert wurde, vorgesehen, dass vor einer Kündigung diese Eingliederung zumindest durch den Arbeitgeber versucht wurde. Da in einem Gerichtsprozess eine Kündigung nur dann Bestand haben wird, wenn diese „ultima ratio“, dh. letztes Mittel war, führt das Weglassen des eigentlich gar nicht obligatorischen Verfahrens in der Praxis zu erheblichen Rechtfertigungsproblemen beim Arbeitgeber, den dann eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass tatsächlich kein „leidensgerechter Arbeitsplatz“ zur Verfügung stand (BAG Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06).
Vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer über lange Zeit erkrankt ist und wenn im Zeitpunkt der Kündigung der Verlauf der Erkrankung völlig ungewiss ist, kann aber bereits diese Ungewissheit dazu führen, dass von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat hier etwa für eine Erkrankung von über 1 ½ Jahren Dauer entschieden, dass eine solch lang andauernde Krankheit auch ohne eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers (etwa weil Krankengeld durch die Krankenkasse bezahlt wird) die Kündigung sozial rechtfertigen kann.
Ferner kann nach der Rechtsprechung eine Kündigung dann gerechtfertigt sein, wenn feststeht, dass mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit jedenfalls nicht mehr in einem absehbaren Zeitraum von 24 Monaten gerechnet werden kann.
In allen Fällen ist freilich auch eine individuelle Interessenabwägung vorzunehmen. Entscheidend sind die Betriebszugehörigkeit, das Alter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers ebenso, wie die Ursache der Erkrankung (etwa betrieblich veranlasst) und die konkrete wirtschaftliche und personelle Lage des Unternehmens, die Art der Erkrankung und ein möglicher Heilungsverlauf.
Sind Kurzerkrankungen der Anlass für die Kündigung, wird nach den oben genannten Kriterien meist nur schwer ein klares Bild zu gewinnen sein. Am Ende obliegt es aber stets dem Arbeitgeber, sowohl eine negative Prognose zu beweisen, als auch die Umstände, die bei einer umfassenden Interessenabwägung für die Kündigung sprechen sollen.
Dabei gelten im Falle von Kurzerkrankungen die Grundsätze, dass jährliche Fehlzeiten unterhalb der Krankheitsquote von 12 bis 14% grundsätzlich keine Kündigung rechtfertigen und erst aus den vergangenen Fehlzeiten der letzten 3 Jahre eine negative Prognose hergeleitet werden kann. Im Ergebnis muss der Arbeitgeber hier also die letzten 3 Jahre beobachtet haben.
Wenn dagegen nachgewiesen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund Krankheit in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann, ist das Arbeitsverhältnis schon allein aus diesem Grunde erheblich gestört. Allein dies rechtfertigt nach dem BAG die Kündigung, ohne dass dann weitere Beeinträchtigungen nachzuweisen wären.
Treten im Zuge einer Erkrankung spürbare Minderungen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers auf, kann auch dies eine Kündigung rechtfertigen. Auch hier hat aber eine umfassende Interessenabwägung zu erfolgen.
Author: Fabian Sachse